Menschen, die vor Krieg, Gewalt oder Verfolgung fliehen, haben oft über Monate oder Jahre hinweg unter Bedrohung gelebt, Gewalt und Folter erlebt oder mussten mitansehen, wie andere verletzt wurden oder starben. Hinzu kommen häufig Grenzgewalt an den europäischen Außengrenzen, Ausgrenzung und rassistische Übergriffe in Deutschland. Aus psychologischer Sicht sind das potenziell traumatisierende Erfahrungen – also Erlebnisse, die so belastend sind, dass sie fast niemand ohne Folgen verarbeiten kann.
Wie werden geflüchtete Menschen in Deutschland versorgt?
Laut EU-Aufnahmerichtlinie haben Geflüchtete mit psychischen oder körperlichen Erkrankungen Anspruch auf angemessene Versorgung. Doch viele leben isoliert in Massenunterkünften mit geringer Beratungskapazität und werden dort auch gesundheitlich nicht gut versorgt. Wichtig ist deshalb, dass alle Beteiligten über ihre Versorgungsansprüche und spezialisierte Anlaufstellen Bescheid wissen.
Gesundheitsversorgung über das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
Geflüchtete sind in Deutschland erst krankenversichert, wenn sie einen Aufenthaltstitel haben oder einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen (dürfen). Vorher ist ihr Zugang zum Gesundheitssystem in den ersten 36 Monaten ihres Aufenthalts durch das AsylbLG weitgehend auf „akute Erkrankungen und Schmerzzustände“ begrenzt. Psychotherapie kann nach Ermessen bewilligt werden – in der Praxis lehnen die Sozialbehörden diese Anträge aber oft ab – trotz Behandlungsbedarf. Hier muss mitunter nachgehakt und Widerspruch eingelegt werden – denn gemäß EU-Aufnahmerichtlinie müssen für besonders vulnerable Personen mit der Diagnose einer psychischen Erkrankung Psychotherapien ohne Ermessensspielraum bewilligt werden.
Nach 36 Monaten Aufenthalt haben geflüchtete Menschen weitgehend Anspruch auf reguläre Gesundheitsleistungen. Psychotherapien können dann direkt über ihre elektronische Gesundheitskarte abgerechnet werden. Zudem existiert eine spezielle „Ermächtigungsregelung“, über die Psychotherapeut*innen eigens zur Behandlung dieser (sehr kleinen) Gruppe zugelassen werden können. In der Praxis greift diese Regelung jedoch nur marginal.
Wer kommt für Sprachmittlungskosten auf?
Auch dann, wenn Geflüchtete über eine eGk verfügen oder bereits krankenversichert sind, steht und fällt der Zugang zu Psychotherapie mit der Frage, wer die Kosten für Dolmetscher*innen trägt: Dafür gibt es in Deutschland nach wie vor keine gesetzliche Regelung – die Kostenträger und Antragsverfahren variieren je nach Aufenthaltsstatus der Klient*in.
Was wissen wir über die psychische Gesundheit von Geflüchteten?
Studien zeigen: Über drei Viertel der Geflüchteten haben massive Gewalterfahrungen erlebt. Doch aus der Forschung, u.a. mit Holocaustüberlebenden, wissen wir, dass nicht jede traumatisierte Person automatisch eine psychische Erkrankung entwickelt: Entscheidend ist, wie sicher und unterstützend das Umfeld nach der Flucht ist. Unter geflüchteten Menschen liegt die Erkrankungsrate z.B. für Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) oder Depressionen bei etwa 30%.
Was brauchen Menschen, um psychisch gesund zu werden?
Psychotherapie ist oft notwendig, um Symptome zu bewältigen, Vertrauen aufzubauen und mit den Folgen von Gewalt umzugehen. Doch eine wöchentliche Sitzung allein kann den Stress des Asylverfahrens, das Miterleben von Abschiebungen und die Angst um Angehörige im Herkunftsland in der Regel nicht aufwiegen. Es braucht auch äußere Sicherheit, stabile Lebensbedingungen und einen Zugang zu Bildung und Arbeit – hier sind Kolleg*innen u.a. aus der Sozialen Arbeit gefragt. Ohne sie ist Psychotherapie oft nur begrenzt wirksam.
Wo finden geflüchtete Menschen bedarfsgerechte Unterstützung?
Die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete und Überlebende von Folter (PSZ) versuchen seit über 40 Jahren, diese Versorgungslücken zu kompensieren. Sie bieten psychotherapeutische, psychosoziale sowie asyl- und sozialrechtliche Unterstützung aus einer Hand. In der BAfF sind 51 dieser Einrichtungen vernetzt. Gemeinsam betreuen sie jährlich über 26.000 Klient*innen – niedrigschwellig, unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Herkunftssprache. Doch ihre Kapazitäten sind begrenzt: Die Wartezeit auf einen Therapieplatz liegt im Schnitt bei 5,7 Monaten, in manchen Regionen bei bis zu 21 Monaten.
Das nächste PSZ unter: https://www.baff-zentren.org/hilfe-vor-ort/psychosoziale-zentren/
Daten und Fakten zur Versorgung durch die PSZ: https://www.baff-zentren.org/publikationen/versorgungsberichte-der-baff/